Textauszug aus Herzog:In

Speisekammer im Herzog Magazin

In der letzten Ausgabe des Stadtteilmagazings „Herzog:in“ wurde auch ein Beitrag über die Speisekammer veröffentlicht.

Ihr findet den eingescannten Originalartikel unter „Presse“ oder unter diesem Beitrag.

Hier der Text des Artikels zum nachlesen:

Ich laufe über die Kreuzung an der langen Rötterstraße gegenüber des Klinikums. An der Ampel klebt ein kleiner Zettel mit einem Eichhörnchen drauf: „Speisekammer e.V., werde Mitglied“ sagt es und gibt auch ein paar Infos über das Konzept eines Mitglieder:innen-Ladens. Hier sollen alle aktiv mit gestalten können und sich dafür einsetzen eine Art Tante Emma-Laden in der Neckarstadt zu etablieren

Ich heiße Hannes und bin erst vor kurzem aus dem hohen Norden nach Mannheim gezogen. Genauer gesagt in die Neckarstadt-Ost. Was mir schnell aufgefallen ist; es gibt hier keinen Bio-Supermarkt in der Nähe. Da ich mich schon lange dafür interessiere möglichst nachhaltig zu leben, sogar meinen Plastikverbrauch komplett einzustellen, musste ich für unverpackte Lebensmittel oft durch die ganze Stadt radeln. Einen Wochenmarkt sucht man in der Neckarstadt-Ost auch vergebens. 

In der Straße in der ich aufwuchs hatte eine Nachbarin einen Tante-Emma-Laden. Sie wohnte direkt gegenüber und gehörte eigentlich zur Familie. Als Kind hat meine Mutter mich mit einer Milchkanne losgeschickt die dort dann von „Tante Anne“ befüllt wurde. Ganz ohne Verpackungen bekam man auch Käse vom Laib oder auch Sahne. Natürlich konnte man sich vom Taschengeld auch Süssigkeiten aus großen Gläsern aussuchen. Und auf dem Weg nach Hause traute ich mich manchmal die Milchkanne am Henkel im Kreis herum, am langen Arm herumzuschleudern, um zu schauen ob die Fliehkraft die weiße Flüssigkeit im inneren hält. Dieses physikalische Experiment gelang zum Unmut meiner Mutter nicht immer. Wäre doch toll wenn Kinder diese Erfahrung auch machen könnten denke ich mir als ich den Zettel abfotografiere.

Nur eine Woche später finde ich mich bei einem Treffen mit anderen interessierten Nachbar:innen wieder. Wir treffen uns in einem eher provisorisch eingerichtetem Hinterzimmer in der Cannabichstrasse. Hier macht die Speisekammer 2020 das erste mal Ihre Türe auf. Engagierte Neckarstädtler:innen organisieren nicht nur den Ein- und Verkauf sondern durch viel Geduld auch Kontakte zu regionalen Händler:innen. Und bald können neben Gemüse und Trockenware auch frisches Brot und leckere Weine erstanden werden. 

Die Menschen die hier sitzen und ihre Ideen einbringen sind so verschieden wie die ganze Nachbarschaft bunt ist. Alle haben unterschiedliche Talente und Ansätze, aber einig sind wir uns alle darin, was die Speisekammer bieten soll: Saisonale, möglichst unverpackte und immer ökologische Lebensmittel und Haushaltswaren aus der Region. Wir wollen uns durch die festen Mitgliedsbeiträge finanzieren und können so günstige Preise weiterreichen.

Ich versuche mich so gut wie möglich einzubringen und übernehme gerne mal den Kassendienst oder rühre die Werbetrommel für die Speisekammer. Andere holen Ware von den Lieferant:innen ab oder helfen beim einrichten des Ladens. Es gibt aber auch viele Aufgaben hinter den Kulissen: Einen Putzdienst muss es geben, die Organisation des Vereins im Hintergrund braucht viel Zeit und das Design einer Homepage steht an. Einige rührige Mitglieder übernehmen mehr Aufgaben als andere, aber alles ist neben dem Beruf natürlich ehrenamtlich und über helfende Hände jeglicher Art wird sich immer gefreut, ist der Beitrag auch noch so klein. Und so wird ein tatkräftiger Opernsänger Kassenwart, eine norddeutsche Klönschnackerin macht die Öffentlichkeitsarbeit und junge wie auch ältere eingesessene Mannheimer:innen regeln das Vereinsleben. 

Bald schon wächst die Speisekammer immer schneller und die angebotenen Lebensmittel sprengen die begrenzt vorhandenen Regale. Im Hinterzimmer von Lastenbyke wird der Platz knapp. Wir erkennen die Notwendigkeit Kühlschränke anzuschaffen und den Laden noch häufiger zu öffnen, was einen Umzug unumgänglich macht.

Seit kurzem hat die Speisekammer in der Käfertaler Straße 81 eine feste Adresse gefunden und hat ein deutlich grösseres Sortiment als der Tante Emma-Laden in meinem Heimatort je hatte.

Frische Milch gibt es natürlich auch, wenn auch nicht unverpackt. Stattdessen bieten die neuen Räume aber eine ganze Sektion an unverpackten Trockenwaren, frischem Gemüse und sogar Putzmitteln. Mittlerweile komme ich gerne hierher um nicht nur einzukaufen, sondern auch das neuste aus der Nachbarschaft zu erfahren und mit neu gefundenen Freunden zu quatschen. Letztens empfahl ein Mitglied ein Rezept für Flower Sprouts welches direkt nachgekocht wurde und Freunden empfehle ich den leckeren Espresso weiter. 

Komm doch selbst mal vorbei und besuche mich wenn ich hinter der Kasse stehe.

Geöffnet ist die Speisekammer Montags, Donnerstag und Samstags. Bald hoffentlich sogar Dienstags. Mehr Infos findest du unter www.speisekammer.biz

Bis bald in der Speisekammer!

Hannes Deters
Textauszug aus Herzog:In
Auszug aus dem Artikel in Herzog:In 57. Ausgabe, Jahrgang 21

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